Dienstag, 14. September 2010
Darwin Deez und warum er lieber umarmt wird.
Darwin Deez im Gebäude 9 / Köln |
Schon drei Stunden vor Konzertbeginn stehen die ersten fünf, sechs Zuschauer vor den Türen des Gebäude 9 und warten sehnsüchtig darauf, dass endlich Einlass ist. Und es werden immer mehr. Der Großteil besteht aus jungen Mädchen, die gerne einen Blick auf ihren “Star” erhaschen würden. Der ist nicht etwa der neue Teenie-Hit aus der Bravo, sondern Darwin Deez. Und da dieser junge Mann neben Kritikern und Musikliebhabern eben auch ziemlich viel junges Publikum anlockt, ist das Publikum an diesem Abend bunt gemischt und vor allem: zahlreich anwesend.
Du hast in diesem Sommer unglaublich viele Festivals – unter anderem beim Melt! und beim Pukkelpop-Festival – gespielt, deine Deutschland-Tour ist ausverkauft. Und jetzt sind auch schon neue Tourdaten für das nächste Jahr veröffentlicht worden. Wie fühlt sich das an?
Es ist gut, es geht immer weiter voran. Es ist wie der erste Schritt, der jetzt erledigt ist. Wir werden sehen, was bis zum zweiten Schritt passiert. In der Musik kann sich alles immer ändern, denke ich.
Wie würdest du denn die Zeit beschreiben, seit dein Album erschienen ist und du quasi ständig auf Tour bist?
Ich bin beschäftigt. Und es ist schön, beschäftigt zu sein. Denn bevor all das angefangen hat, hatte ich ja normalerweise nicht viel zu tun, außer arbeiten zu gehen, in meinem Fall in einem Restaurant. Ich habe lange Zeit an den Aufnahmen für das Album gearbeitet, um während der Aufnahmen alles so perfekt wie möglich zu machen und auch Shows in New York gespielt. Aber seit das Album raus ist, fühlt es sich so an, als hätte ich einen neuen Job und das ist cool.
Das ganze Touren und immer unterwegs zu sein: wird das manchmal langweilig oder vielleicht sogar nervig für dich?
Noch nicht, denn es ist so neu. Vielleicht ist es in ein paar Jahren langweilig, wenn du immer wieder in die gleichen Orte kommst, bzw. immer das Gleiche siehst. Aber im Moment ist das eine so große Veränderung in meinem Leben. Ich habe jetzt ein neues Leben. Vorher hatte ich ungefähr fünf Jahre das gleiche Leben, also wurde das ein bisschen langweilig. Aber auch in dieser Zeit gab es Veränderungen. Von 2003 bis 2007 war ich Single, dann habe ich eine großartige Frau kennengelernt, das war eine große Veränderung. Dann waren wir ungefähr zwei Jahre zusammen, wir haben uns im Januar getrennt, und das ist schon wieder eine große Veränderung. Und all diese Shows zu spielen ist eben interessant, es ist immer so neu.
Würdest du sagen, es ist eher ein Job oder ein Teil deines Lebens, der jetzt neu ist, da alles anders ist?
Es ist ein neues Leben, dass sich um meinen neuen Job dreht. Und vielleicht langweilt mich das in fünf Jahren. Aber jetzt noch nicht.
Du hast ja vorher in der Band Creaky Boards gespielt, Andrew [der Sänger der Creaky Boards] ist jetzt auch mit auf Tour. Was denkst du, wie wichtig es ist, Leute um dich herum zu haben, die du schon länger kennst, mit denen du schon Musik gemacht hast?
Jeder empfindet es anders, also ist es schwierig, das zu verallgemeinern. Andrew zum Beispiel möchte bei dieser Tour dabei sein. Und er kommt mit allen klar und das ist das Wichtigste von allem. Miteinander zu reden, wenn jemand Probleme hat, hält die Harmonie untereinander aufrecht. Jeder ist anders. Das kommt wirklich auf die Persönlichkeit. Jeder ist wie irgendein Tier, man steckt die Tiere zusammen in einen Raum und sieht, wie sie zurecht kommen. Aber musikalisch habe ich schon alle Entscheidungen getroffen und jeder muss irgendwie meiner Richtung folgen. Manchmal sind nicht alle damit einverstanden, dass es eine Art kreative Diktatur ist. Aber so ist es eben im Moment.
Es ist doch aber besser, in so einer Gruppe unterwegs zu sein, als ganz auf sich allein gestellt zu sein, oder?
Ja. Die Zahl von Leuten, die im Moment hier unterwegs ist, ist wirklich gut. Sechs Leute, also vier in der Band und zwei in der Crew. Mehr Leute würden wahrscheinlich noch mehr Spaß bedeuten. Aber allein zu touren wäre wirklich hart. Ich denke nicht, dass man nicht die gleiche Show mit nur einer Person auf die Beine stellen könnte. Sogar bei Solo-Shows – Imogen Heap macht einen guten Job auf der Bühne, aber manchmal braucht sie eben auch Leute, die ihr helfen.
Wenn die Leute deinen Namen hören, sagen viele zurerst “Oh ja, das ist der coole Typ mit der Frisur und den Tänzen” und dann erst reden sie von deiner Musik. Findest du, das sollte genau anders herum sein oder ist das alles ein Aspekt unter dem die Leute deine Musik kennenlernen sollten?
Nein, es freut mich für sie, dass sie mich so sehen. Die Musik ist im Umlauf und wenn sie sie interessant finden, können sie herausfinden, was dahinter steckt. Die Sache mit dem Musikbusiness ist doch, dass es nur ums Image geht. Wenn ich mich anders fühlen würde, würde ich mich anders stylen und mich wahrscheinlich zu einem langweiligeren Image machen. Und ich denke auch, dass ich nicht so ein Gesicht habe, so eins das in Erinnerung bleibt. Wenn du als Künstler anfängst, möchtest du so authentisch wie möglich sein und wenn du von Anfang an so eine große Wirkung hast. Ich finde es toll, anders zu sein. Und deswegen sehen meine Haare eben so aus und warum ich auf der Bühne tanze. Es dreht sich alles ums Image.
Wenn dir jemand vorschreiben würde, wie du dich zu kleiden und auszusehen hast, würdest du das machen?
Nun ja, ich glaube das würde ich nicht machen. Vielleicht aber doch. Wenn sie mich gut genug bezahlen. Es ist nur ein Job, ich nehme das Geld.
Lass uns über deine Videos reden. Jedes deiner Videos erzählt Geschichten und überrascht mit spannenden Ideen. Was denkst du, wie wichtig der visuelle Aspekt für die Musik ist?
Ich denke, dass er wirklich wichtig ist. Es zieht die Aufmerksamkeit von Leuten an. Und du musst wirklich ein Supermusiker sein oder du musst sehr fokussiert sein, um ein Lied ohne jegliche Bilder zu sehen und eine Verbindung dazu aufzubauen. Es ist sehr hilfreich. Und es kann Leute dazu bringen, deine Musik zu hören, was für einen neuen Künstler sehr hilfreich ist.
Bringst du auch deine eigenen Ideen in die Videos mit ein?
Größtenteils nicht, zumindest bei den offiziellen Videos, da sind es hauptsächlich die Regisseure. Aber ich habe auch einen gewissen Einfluss. Man bekommt die Auswahl zwischen mehreren Regisseuren und Ideen und da entscheide ich, was ich am besten finde. Die Persönlichkeit und das Image, das ich ausstrahle wird von den Regisseuren aufgenommen und dazu planen sie dann auch die Videos. Ich habe also schon etwas damit zu tun.
Wenn du Lieder schreibst, wie arbeitest du daran? Hast du da eine spezielle Herangehensweise?
Der einzige Weg, wie ich meine Songs schreiben kann, ist, mich mit meiner Gitarre und meinem Notebook hinzusetzen und aufzunehmen oder auch einfach nur mit meiner Gitarre irgendwo zu sitzen. Manchmal kommt dann dabei ein Chorus heraus, an dem ich dann festhalte. Die letzten beiden Songs, die ich geschrieben habe, waren Hey Mom und Bad Day. Für Hey Mom hatte ich einen Gitarrenpart, der mir lange im Kopf geblieben ist, aber ich hatte keine Idee für die Lyrics. Und für Bad Day gab es schon längere Zeit einen Chorus, aber ich da hatte ich keine Ideen für Verse. Nachdem diese Songstücke einfach nicht weggegangen und irgendwie immer da geblieben sind, habe ich sie irgendwann dann doch zu Ende gebracht. Aber ich schaffe es nicht, all dies auf einmal passieren zu lassen.
Sind es Dinge aus dem alltäglichen Leben, die dich inspirieren oder etwas, dass du vor kurzem gelesen hast?
Ich weiß nicht, ich bin sehr analytisch, wenn es um Musik geht. Ich denke darüber nach, was die Leute mögen könnten. Denn ich möchte Musik machen, die die Leute entdecken und sie begeistert. Also denke ich die ganze Zeit darüber nach, wie ich Musik schreiben kann, die genau so ist. Manchmal sind bestimmte Sätze ein Konzept für einen Song oder Wörter, die mir auffallen. Und wenn es eine Idee ist, die eingängig ist, inspiriert mich das, den Song zu Ende zu schreiben. Ich arbeite sehr konzeptionell an meinen Songs. Das ist vielleicht nicht die beste Art, Lieder zu schreiben. Ich muss lernen, mehr die Details zu sehen. Die besten Songs sind doch die, in denen man durch verschiedenen Details ausdrückt, was man empfindet oder mitteilen möchte.
Dein Album hat überall ziemlich positive Kritiken erhalten. Setzt dich das unter Druck, für ein weiteres Album?
Ja, der Druck ist sicher da. Aber das ist gut. Den Druck habe ich mir vorher schon selber gemacht.
Motiviert dich der Druck vielleicht sogar?
Ah, es gibt so viele Lieder, die geschrieben werden sollten. Jeder Song dauert so lange und ich weiß nicht, wie ich es schneller machen soll. Aber ich möchte wirklich das beste Album machen, dass ich jemals gemacht habe.
Vielleicht kommst du im Moment gar nicht dazu, selbst Musik zu hören. Doch was sind deine fünf Lieblingsalben zur Zeit?
Doch, die Zeit habe ich auch jetzt. Meine fünf Lieblingsalben, hm. Also gut:
- Huey Lewis And The News – Greatest Hits
- Paula Abdul – Forever Your Girl
- Rage Against The Machine – Evil Empire
- Frightened Rabbit
[Die anderen Bandmitglieder klopfen an die Tür, sie brauchen den Schlüssel für den Van. Ein Mädchen nutzt die Gelegenheit und fragt, ob sie ein Foto mit Darwin machen kann. Deshalb sind aus den fünf Alben dann doch nur vier geworden und bei Frightened Rabbit fehlt das Album.]
Wie findest du es eigentlich, wenn die Leute schon so lange vor deinen Konzerten hier auf den Einlass warten?
Das finde ich toll. Ich mag es aber nicht, Fotos mit Leuten zu machen. Ich mag Umarmungen. Ich wünschte, die Leute würden mehr Umarmungen fordern, als Fotos. Dann wäre ich wirklich glücklich. Ich versuche, diese Message zu verbreiten. Das wäre schön.
Später kündigt Darwin Deez auf der Bühne an, dass er zwar am Merchandise – Stand stehe und gerne mit den Leuten reden, sie noch viel lieber umarmen würde. Aber Fotos werde es keine geben. Ob Herr Deez dies wirklich so durchsetzen konnte, ist uns nicht bekannt. Sein Konzert jedenfalls war ein voller Erfolg, auf ganzer Linie. Und das Schräge an diesem Typen ist nicht etwa seine Frisur oder generell sein Auftreten. Sondern dass er mit seiner Show wirklich jeden begeistern kann, selbst wenn man seine Musik nicht mag. Und dass er einen ganz genauen Plan hat, was er machen will und was nicht. Es ist eben sein Job. Ein verdammt cooler Job.
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