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Sonntag, 18. September 2011

Gastbeitrag: "Things the Grandchildren should know" von Mark Oliver Everett

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Schreckhäschen & Mr. E
Einst schrob Hannah, die einen lesenswerten Litraturblog namens Schreckhäschen hat, einen ebenfalls lesenswerten Gastbeitrag für die Tante Pop zum Thema Die Kunst der Wiederholung. Jetzt habe ich mich revanchiert und einen Musik-Literatur-hybriden Gastbeitrag zur Autobiografie von Eels Mastermind Mark Oliver Everett, oder auch Mr. E, verfasst.


Der Beitrag findet sich auch hier.




When I was a little kid I was in love with my mom, and obsessed with her breasts. There, I said it. Years later I would learn in therapy that this admission was actually one of the more normal things about my upbringing. She was very childlike in some ways and seemed to live her life to help others as much as she could. But she was raised by her New England family not to show emotion and could unwittingly be cruel and overly critical. And she was prone to random crying jags that left me feeling helpless. It was tough for me because I needed a mother and, as a result, still do (it's OK, ladies, I know it's not gonna happen, and I'm OK with it).
- Mark Oliver Everett: Things the Grandchildren should know. Seite 19.

Wenn Rockstars Bücher schreiben sei Vorsicht geboten. Es kommt nicht von ungefähr, dass sie meistens einfach gestrickte, kurze Texte vertonen und sich im Normalfall nicht an Romanen abarbeiten. Gelungene Autobiografien müssen deshalb gelobt werden.

Zu dieser Gattung gehört Things the Grandshildren should know von Mark Oliver Everett, besser bekannt als Mr. E, Kopf seines ständig im Wandel befindlichen Bandprojektes namens Eels. Der Name des im Jahre 2008 erschienenen Buches ist dem gleichnamige Eels-Stück vom monumentalen Doppelalbum Blinking lights and other revelations aus dem Jahr 2005 entnommen.


Dass Mr. E harte Zeiten gehabt haben muss spürt man bereits beim Anhören seiner Werke, allen voran das in seiner Morbidität kaum zu übertreffende Album Electro-Shock Blues von 1998.

Natürlich waren auch schon vor dem Erscheinen seiner Autobiografie viele Details aus seiner Vergangenheit bekannt, aber es aus der Feder des Betroffenen zu lesen offenbart erst die ganze Tragweite der Schicksalsschläge, und füllt die knappen Eckdaten mit Leben und, ich nenne es mal Anekdoten.

Die Sprache ist sehr direkt, man merkt deutlich, dass hier kein professioneller Autor schreibt, aber gerade das vermittelt dem Leser ein Gefühl der Authentiziät, auch wenn bekannt ist, dass er seinen Rückblick nachweislich frisiert hat.

Die Tragik der beschriebenen Geschehnisse ist durch Einzelgängertum und Tod bestimmt. 1982, als er 19 Jahre alt ist, stirbt sein Vater, der berühmte Physiker Hugh Everett III. Als er seine Leiche entdeckt und versucht ihn wiederzubeleben, war das der innigste körperliche Kontakt den sie jemals hatten. All die Jahre davor hat er nur wenige Sätze mit seinem Vater geredet, und beiden waren sich gegenseitig ein Rätsel. Seine Schwester Liz war eh und je depressiv und ist schließlich in die Hände zwielichtiger Typen geraten – sie nahm sich 1996 während des Erscheinens des ersten Eels-Albums Beautiful Freak das Leben. Das, und eine unheilbare Krebserkrankung seiner Mutter kurz danach, führten zum düsteren Electro-Shock Blues Album. Sie verstarb übrigens während der Tour zum Album. Nun hatte er sämtliche Verwandte verloren bis auf eine Cousine, die allerdings am 11.9.2001 in einem der entführten Flugzeuge umkam. Der Tod verfolgt einen im Buch, und man denkt immer, nun muss doch endlich mal Schluss sein, doch dann passieren sterben alle paar Seiten irgendwelche Freunde und Bekannte.

Der Rest des Werks besteht aus typischen Lebensgeschichten. Er verlässt 1987 sein Heimatkaff in Virginia und wohnt jahrelang sinnentleert in Los Angeles. Natürlich gibt es jede Menge Frauengeschichten, wobei er einen Hang zu sehr komplizierten (vielleicht auch gestörten) Persönlichkeiten hat. Muss wohl an der nicht gerade normalen Familie liegen. Das ist auf jeden Fall unterhaltsam, auch wenn der Wahrheitsgehalt sicherlich eher so Medium sein dürfte.

Zweifelsohne kann man davon ausgehen, dass jeder, der sowas schreibt, das ein oder andere zensiert, so auch bei Mr. E. Eine Stelle, bei der man das weiß, ist das Jahr 1985. Im Buch sind die 5 Jahre zwischen dem Tod seines Vaters und dem Umzug nach Los Angeles ein recht großes Loch. Aus dem Jahr 1985 stammt allerdings sein allererstes Album, auf das man ihn aber besser nicht persönlich ansprechen sollte. Er versucht alles, um dessen Verbreitung zu verhindern, weil es ihm wohl höchst unangenehm ist. Nunja, man kommt seit einiger Zeit trotzdem an das Material, und es ist gar nicht so schlecht wie man vermuten würde. Zumindest müssen diese Aufnahmen für den damals 23jährigen Mark Oliver eine sehr große Sache gewesen sein. Dass so was vollständig ausgeblendet wird, wirkt schon etwas sehr skurril. An der ein oder anderen Stelle sind wohl ähnliche Lücken, deren eigentlicher Inhalt ziemlich spannend sein könnte. Andererseits geht er teilweise sehr schonungslos in die Tiefe, vor allem bei den schon erwähnten Beziehungen sowie seinen präkeren Lebensumständen und Geistesverfassungen in den ersten 5 Jahren nach dem Umzug.

Tragik, Komik, Selbstmitleid und Erfolgsgeschichte sind eng miteinander verstrickt. Das Buch ist sehr lebendig und reflektiert.

Wer jetzt Interesse an dieser Lebensgeschichte hat, aber sich noch nicht zum Buchkauf entschließen kann, sollte unbedingt die großartige Dokumenation Parallel worlds, parallel lives anschauen, in der Mr. E zum ersten mal auf die Spuren seiner Ahnen geht und nebenbei verständlich erklärt wird, was es mit der damals wie heute bahnbrechenden Theorie seines Vaters auf sich hat. Dessen Biografie ist nämlich ähnlich interessant. Hoffen wir, dass uns Mr. E deutlich länger erhalten bleibt.

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