Mittwoch, 26. Oktober 2011
Kleinode deutschsprachiger Musik (26): Suzanne Doucet - Kleine Kinder (1967)
In einer losen Serie stelle ich Werke vor, die vordergründig eines gemeinsam haben: Sie wurden in deutscher Sprache verfasst. Das alleine ist natürlich keinerlei Qualitätskriterium. Nein, mich interessiert ein kreativer Umgang mit selbiger.
Suzanne Doucet |
Die 60er Jahre sind weitesgehend eine langweilige Wüste, was interessante deutschsprachige Musik angeht. Alles drehte sich entweder um biedere Schlager oder eher eintöniges Liedermachertum. Suzanne Doucet ist etwas anders als die anderen. Sie schrieb ihre Lieder grundsätzlich selbst, im Gegensatz zu den meisten Schlagermenschen, und war trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen in dieser Szene recht erfolgreich.
'Schlager' scheint mir allerdings ein wenig der falsche Begriff zu sein. Sie machte eher Beatmusik mit deutschen Texten. Ihre englischsprachigen Stücke würde keiner in eine Schlagerecke stecken. Die Entwicklung ist spannend - in ihren ersten Jahren sind die Texte sehr einfach gehalten und wirklich authentisch, aber auch so bieder wie der Zeitgeist. Ab Mitte der 60er änderte sich dieser bekanntlich, und so entdeckte auch Suzanne Doucet ganz neue Möglichkeiten. Das hier vorgestellte Lied hat so überhaupt nichts mit den bunten Liedchen zu tun, für die sie bis dahin bekannt war. Hier ein Paradebeispiel - 'So long' von 1965:
Ich gebe zu, als ich das erste Mal 'Kleine Kinder' (siehe unten) gehört habe, überkam mich tatsächlich ein paar mal ein pubertärer Lachreiz, weil es so absurd ernst, ja völlig überzogen wirkt. Aber das ist die heutige, abgestumpfte Perspektive, in der alles irgendwie ironisch ist und kaum jemand, außer Reinhard Mey und Konsorten vielleicht, auf die Idee kommt solche düsteren Texte auf diese Art vorzutragen. Nach ein paar Durchläufen verfliegt das Absurde und man staunt über diese Wandlung. Bei Youtube steht unter manchen Videos 'Erste deutsche Liedermacherin'. Ich bin mir gerade nicht so sicher ob das stimmt, aber auf jeden Fall ist es etwas, was Frauen zu der Zeit nicht gemacht haben, warum auch immer.
Im Grunde ist 'Kleine Kinder' auch sehr einfach gestrickt - Kinder leiden unter Kriegen, und jeder der Krieg will ist am Leid / Tod der Kinder schuld. Sie packt die Menschen an einer schwachen Stelle, das ist aus manipulativer Sicht sehr geschickt. Sicher werden heutzutage Bildungsbürgereltern nicht so ohne Weiteres ihre Kinder mit Militärzeug spielen lassen - denn als Erbe der 68er erleben wir zum Glück eine kritische Haltung allem Gewaltsamen gegenüber, aber beim Rest der Eltern ist es doch auch noch heutzutage so, dass sie ihren Kindern irgendwelche Panzer und Soldaten kaufen. Ob das einen bedeutenden Einfluss auf das Kind hat sei dahingestellt, aber allein eine gewaltlüsterne Fantasie anzuregen halte ich für fragwürdig. Da hat Suzanne recht, man sollte als Eltern wirklich gut über solche prägenden Sachen nachdenken.
Es scheint ein mutiges Statement von einer Person zu sein, die wohl damals eine Klientel bediente, welche vornehmlich sorglose Lieder hören wollte. Das schien ihr aber entweder egal zu sein - oder der Geist der 68er versprach noch mehr Popularität. Es wird wohl Variante A gewesen sein. Mich beeindruckt, was sie so alles musikalisch gemacht hat. Als Straßenmusikerin angefangen, kam sie zum Beat-Schlager, schrieb und sang danach sehr sozialkritische Lieder, und nahm 1970 mal eben ein 3fach-Album mit experimenteller Avantgardemusik auf - eine frühe Version der New Age-Musik. Genau zwischen dieser und noch einigen 'konventionellen' Alben pendelte sie hin und her, nimmt aber seit den 80ern nur noch Instrumentalalben auf - übrigens beläuft sich ihre Anzahl auf um die 50.
Insgesamt ist das ein eindrucksvolles Lebenswerk, das wohl wegen der Nischenhaftigkeit des Schaffens nie gewürdigt werden wird.
Kleine Kinder
Kleine Kinder müssen spielen
Kleine Kinder wissen nicht womit sie spielen
Panzer, Blei- und Zinnsoldaten
Blechkanonen, Pappgranaten, die die Eltern ihnen schenken
Ohne einmal nachzudenken - über Kinder
Kleine Kinder müssen sterben
Kleine Kinder wissen nicht wofür sie sterben
Ob für Vietnam und China
Ob für Kuba, Palästina
Was wir 1000 Kindern stehlen
Wenn wir einen Krieg befehlen
Im Vorübergehen braucht nicht so richtig hinzusehen
Im Vorübergehen werden Mörder plötzlich groß und schön
Denn für bunte Spielzeugorden darf man kleine Kinder morden
Trotz des Grauens aller Kriege
Diese ewig neue Lüge großer Kinder
Große Kinder wollen spielen
Große Kinder wissen längst womit sie spielen
Panzer, Kreuzer und Soldaten
Bomben, Flieger und Granaten
Die sie wieder Kindern schenken
Ohne einmal nachzudenken über Kinder
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