Samstag, 12. November 2011
Loch Lomond - Little Me Will Start A Storm
(Chemikal Underground/ RTD) - VÖ: 18.11 |
Es ist so. Da ist diese Band. Sie nennt sich Loch Lomond. Als erfahrener Geologe denkt sich der Musikfreund natürlich sofort, dass es eine schottische Band sei. Hiermit liegt er bereits das erste Mal falsch. Denn Loch Lomond stammen aus Portland und waren selbst noch nie an eben jenem See, nach dem sie sich benannten.
Und dann mag er, der Musikfreund, sich vielleicht davor sträuben, in das Album reinzuhören. 'Little Me Will Start A Storm' - was soll das denn heißen? Sich selbst als Außenseiter sehen und dann die große Welle machen?
Auch da sollte man rufen: Falsch, falsch, falsch!
Auch da sollte man rufen: Falsch, falsch, falsch!
Denn auf ihrem zweiten Album macht die Band genau das - aus einer Gruppe von selbsternannten Außenseitern wird plötzlich ein bombastisches Orchester, dieses zerfällt wiederum in seine Einzelteile, nur um dann in Melodien und Verstrickungen zu landen, wie sie nur das Leben schreiben kann. Und davon berichten diese Damen und Herren. Und beeindrucken gewaltig.
Es beginnt bereits am Anfang - wo auch sonst? 'Blue Lead Fences' ist ein unruhiges, gar alarmierendes Lied. In seiner alten Version ist es jedoch noch nicht so alarmierend, wie nun auf dem Album. Doch dies hat so seinen Sinn: Wenn sie nun einmal einen Sturm auslösen wollen - er kommt ja nicht von irgendwoher. Dazu bedarf es dieser donnernden Klänge des Klaviers, dem bedrohliche Surren der Violinen im Hintergrund und über allem steht Ritchie Youngs beinahe in sonore Stimmlagen abdriftende Stimme. Oha. Welch ein Auftakt!
Und dann geht das Album über in das so wunder-, wunderschöne 'Elephants & Little Girls'. Es verschlägt dir den Atem, geneigter Musikfreund. Und das, als du gerade glaubtest, ihn nach diesem turbulenten Auftakt wiedergefunden zu haben. Pustekuchen!
Es folgt eine Hommage an die eigene Persönlichkeit ('I Love Me') - warum auch nicht? Auch Außenseiter können so über sich denken.
'Tic' setzt ein mit einer, pardon, dahin gerotzten, in Mark und Bein eindringenden Gitarre. Als würde sie immer wieder mit einer Axt auf einem Baumstamm einschlagen. "I'm bearing down, and I'm bearing down. - I'm just like a man who's born without blood. He's afraid of the city, he's afraid of the sun." Genau das glaubt man Ritchie Young. Sofort. Man sieht vor dem inneren Auge einen beinahe wild gewordenen Mann, der vor lauter Einsamkeit Angst vor der Sonne hat. Er wird nicht akzeptiert. Von niemandem. Vor allem nicht von diesem Konstrukt, das sich Gesellschaft nennt. "Screaming 'I am not an animal, I am not an animal' he cries." Aber das glaubt ihm schon niemand mehr.
Es sind die Melodien (all diese Instrumente! - zu nennen sind da unter anderem Vibraphon, Mellotron, Klarinette, Querflöte und andere Schall erzeugende Gerätschaften) in Kombination mit diesen Geschichten. Geschichten, wie sie nur funktionieren, wenn sie richtig erzählt werden - und genau das machen Loch Lomond. Es ist so wundervoll, wie dieses Album immer wieder Wendungen nimmt, wie man sie nicht vermuten würde. Manchmal glaubt man sich gar in einem Theaterstück von Shakespeare - und doch ist es diese Band, die diese Sachen erzählt von Einsamkeit, dem Verlangen akzeptiert zu werden und dem Leben, wie es ist, wenn man allein ist. Mit der Natur und sich selbst.
Wer in den Geschichten auf 'Little Me Will Start A Storm' einige Übereinstimmung mit einer gewissen Band namens The Decemberists zu hören vermag, der liegt bestimmt nicht ganz falsch. Denn die beiden Musikkappellen sind miteinander befreundet - letztere unterstützt Loch Lomond immer mal wieder mit einigen Ratschlägen oder nimmt sie als Vorband mit auf Tour. Und das hat den Damen und Herren aus Portland mit Sicherheit gut getan. Denn mit The Decemberists haben sie die Könige der Geschichtenerzähler erwischt. Dies soll jedoch nicht heißen, Loch Lomond würden wie eine verdünnte Version der Decemberists klingen - ganz und gar nicht. Sie klingen ganz anders. Nur merkt man ihnen diesen besonderen Umgang mit dem Inhalt ihrer Lieder an, der sonst nur bei Bands wie eben The Decemberists zu finden ist.
Man wünscht diesen symmpathischen Menschen, dass sie gehört und erhört werden. Tausendfach. Ach, hunderttausendfach. Denn sie klingen so anders. Und doch so vertraut. Hat man das Album einmal gehört, lässt es nicht mehr los. Es ist ein Teil von dir selbst geworden. Und es berührt. Auf wunderschönste Art und Weise.
"And all 6000 man can't be wrong" singt Ritchie Young im grande finale von 'Little Me Will Start A Storm', 'Alice Left With Stockings and Earrings'. Wir hoffen, dass er Recht hat. Dass diese Leute (selbst bei dieser beachtlichen Anzahl eine Minderheit) einmal Recht bekommen. Auch wenn dies oft nicht der Fall ist.
Und dass seine Band von mehr als 6000 Menschen gehört und, ja, gefeiert wird.
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