Kleinode deutschsprachiger Musik (44): Fehlfarben - Gottseidank nicht in England (1980)

In einer losen Serie stelle ich Werke vor, die vordergründig eines gemeinsam haben: Sie wurden in deutscher Sprache verfasst. Das alleine ist natürlich keinerlei Qualitätskriterium. Nein, mich interessiert ein kreativer Umgang mit selbiger.

Man verzeihe mir den Ausdruck 'Moderner Klassiker', aber er trifft es bei diesem Lied. Die Fehlfarben sind lebende Legenden und veröffentlichen bis heute Alben. Obwohl diese mitunter sehr sehr gut sind, bleiben sie doch für immer die Band mit dem einen bahnbrechenden Album und dem NDW-Überhit, der für die Band eher untypisch und nicht als Single gewollt war. Monarchie & Alltag vereint diverse wegweisende Ideen. Das Album ist etwas, was es selten gibt: Etwas neues. Die Musik ist nicht revolutionär, sondern an (englischen) Punkbands seinerzeit angelehnt, aber die deutschsprachigen Texte waren in der Form, kombiniert mit eben jener Musik, einzigartig und Vorbild für Vieles, was danach kam.

Mitunter das phänomenalste Stück der Platte ist 'Gottseidank nicht in England'. Es bricht über die Hörer*innen herein und man denkt nur, wow, das komprimiert alles bis dahin existente an Punk und bringt es so sehr auf den Punkt, dass es danach nicht mehr viel geben könnte. Tatsächlich öffnete u.a. dieses Lied viele Türen und es kam noch sehr viel schönes, kreatives Schaffen danach, aber 'Gottseidank nicht in England' ist die Messlatte bis Heute. Es ist eine Absage an den Egoismus und behandelt somit das Kernthema des Punk. Durch die kämpferisch wirkende Musik geht leicht unter, dass es weniger ein Kampflied ist, sondern eher eine schadenfreudige Aussage hat. Nicht die Opfer des egoistischen Handels stehen im Mittelpunkt, sondern der handelnde Mensch selbst und sein vergebener Kampf ums Glück. Das findet sich nunmal nicht darin, immer mehr zu besitzen und immer den eigenen Vorteil zu suchen ohne Rücksicht auf die Umwelt, sondern letztendlich doch in sozialer Harmonie. Diese (historische) Erkenntnis fällt erstaunlich vielen Menschen schwer. Sie kommt bisweilen erst mit dem Scheitern: "Und wenn die Wirklichkeit dich überholt hast du keine Freunde, nicht mal Alkohol. Du stehst in der Fremde, deine Welt stürzt ein. Das ist das Ende, du bleibst allein."

Das ganze Album ist ein Bruch mit der Musikkultur und ein Aufbruch. Viele versuchen so etwas zu erschaffen, aber nur ganz ganz wenigen gelang es bisher. Die Fehlfarben gehören zu jenem auserlesenen Kreis.