Mittwoch, 7. November 2012
Album für Album: The Kinks - Something Else by The Kinks (1967)
Ich möchte über die Musik der Kinks schreiben, sitze vor dem Berg an Material und weiß nicht wie man die ganzen Gedanken dazu in einen gut lesbaren Fließtext verwandelt bekommt. Es gibt zuviel – z.B. die vielen grandiosen Alben aus den 60ern, von dem jedes anders klingt und es oft an wundervollen Ideen übersprudelt. Es gibt diverse theatralisch aufgebaute Konzeptalben aus den 70er, über Vergänglichkeit, Schule und Star-Dasein, die viel zu selten gewürdigt werden, obwohl sie mitunter fantastisch sind. Da ist noch die Stadionrockphase Ende der 70er, Anfang der 80er und ab Mitte der 80er das durchwachsene, meist ignorierte Spätwerk, welches aber doch ab und an Highlights bietet. Deswegen möchte ich meine Gedanken und Empfehlungen zu den 24 Studioalben einfach in chronologischer Reihenfolge niederschreiben, mit der Hoffnung dass einige LeserInnen den ein oder anderen untergegangenen Schatz für sich entdecken.
Mal was anderes, so die Verheißung. Und tatsächlich, es vollzieht sich in jenen Jahren eine phänomenale musikalische Wandlung, die auch auf Something else fortgesetzt wird. Ich empfinde das Album allerdings als kleinen Schritt zurück, denn der Vorgänger war zum ersten Mal als Album keine Anhäufung von Liedern, sondern ein Gesamtkunstwerk. Dieses Merkmal fehlt hier leider weitesgehend – wenn überhaupt könnte man sagen dass es sich mit gesellschaftlich relevanten Themen Großbritanniens zu jener Zeit auseinandersetzt.
Es ist zu sehr eine Mischung aus einigen Hits und eher unscheinbaren Liedern, die gut auf einem ausgedehnten Konzeptalbum oder als B-Seiten hätten Verwendung finden können. Vielleicht erkenne ich auch nur nicht die Genialität von Liedern wie 'Afternoon Tea', 'No return' oder 'End of the season' – allesamt über geliebte Frauen, die aus irgendwelchen Gründen nicht mehr da sind. Gut für die Vielfalt, aber schlecht für die Konsistenz ist, dass drei der 13 Lieder aus der Feder von Dave Davies stammen - für Kinks-Album-Verhältnisse eine ganze Menge. Ohne sie wäre das Hörerlebnis deutlich langweiliger, und gerade das herrliche 'Love me till the sun shines' ist eine seiner Glanzleistungen. Davon abgesehen befindet sich sein einziger Hit auf dem Album – 'Death of a clown', eine wundervoll arrangierte und herzzerreißend melancholische Nummer, die auf Oldie-Radiosendern gerne totgenudelt wird.
Das klang bis jetzt alles eher so mittelbegeistert, aber das täuscht. Something else bietet mehrere Lieder auf, die sich im Gedächtnis festkrallen und mitunter nie wieder loslassen. Es fängt schon an mit 'David Watts' – eine Hymne an den perfekten Typen in der Schule, der so unerreicht toll ist und man sich in seiner Jugendlichkeit wünscht genauso sein zu können. Kleine Randnotiz: Der Typ, der als Inspiration diente war schwul, was man damals ja nicht so direkt sagen konnte und auch erst viel später klargesetellt wurde. Ray Davies fand allerdings sehr listige Wege das einzubauen und trotzdem im Radio gespielt zu werden.
Wunderschön ist ebenfalls 'Harry Rag', eine Ode an die Zigarette und vor allem die Abhängigkeit von jener. Wäre es ein paar Jahrzehnte später geschrieben wurden hätten noch gut die ganzen Zigarettenpackungssprüche einfließen können, aber auch so ist es ein schöner Text darüber wie die Sucht alle Klassen der Gesellschaft über die Zigarette vereint.
Auf das Highlight des Albums muss man bis zum Schluss warten – dann erklingen die zauberhaften, goldenen Töne von 'Waterloo Sunset', dem mitunter schönsten Popsong der 60er Jahre, mindestens. Das Lied vereint alles was man sich wünschen kann; ein grandioses Arrangement, eine schöne, mitreißende Geschichte und den ganz besonderen, kaum zu beschreibenen Zauber, den nur wenige Lieder haben. Wegen solchen Liedern gehört Ray Davies für mich zu den größten lebenden Komponisten. Aber das eigentlich wahnsinnige daran ist – obwohl 'Waterloo Sunset' nichts zu wünschen übrig lässt und man es nicht für möglich hält schafft er es sich mit dem nächsten Album nochmals zu steigern.
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