Mittwoch, 26. Dezember 2012
Album für Album: The Kinks - Lola Versus Powerman and the Moneygoround, Part One (1970)
Ich möchte über die Musik der Kinks schreiben, sitze vor dem Berg an Material und weiß nicht wie man die ganzen Gedanken dazu in einen gut lesbaren Fließtext verwandelt bekommt. Es gibt zuviel – z.B. die vielen grandiosen Alben aus den 60ern, von dem jedes anders klingt und es oft an wundervollen Ideen übersprudelt. Es gibt diverse theatralisch aufgebaute Konzeptalben aus den 70er, über Vergänglichkeit, Schule und Star-Dasein, die viel zu selten gewürdigt werden, obwohl sie mitunter fantastisch sind. Da ist noch die Stadionrockphase Ende der 70er, Anfang der 80er und ab Mitte der 80er das durchwachsene, meist ignorierte Spätwerk, welches aber doch ab und an Highlights bietet. Deswegen möchte ich meine Gedanken und Empfehlungen zu den 24 Studioalben einfach in chronologischer Reihenfolge niederschreiben, mit der Hoffnung dass einige LeserInnen den ein oder anderen untergegangenen Schatz für sich entdecken.
Der Albumname deutet unmissverständlich an welcher Hit sich auf jenem Album befindet – es ist der größte den sie je hatten. Von 'Lola' auf das dazugehörige Album zu schließen führt allerdings in die Irre – denn wir haben es mal wieder mit einem Konzeptalbum zu tun, und zwar nicht über Transvestiten abschleppen, sondern über die Abgründe der Musikindustrie. 'Lola' ist nur eine Episode am Anfang der Musikerkarriere.
Diese Karriere ist der Ausgangspunkt der Platte - angefangen beim Auszug von Zuhause in die große Stadt um berühmt zu werden – 'The Contenders'. Das Lied täuscht am Anfang des Albums in den ersten Sekunden Folk vor, aber recht schnell bricht die verzerrte E-Gitarre herein. 'Strangers', ein wunderbares Werk aus der Feder von Dave Davies, schließt an das Thema 'Auszug in die große Stadt' an, bevor mit 'Denmark Street' zum ersten Mal so richtig vom Leder gezogen wird über die Musikindustrie. Man gibt sich keinerlei Mühe die Verachtung für windige Labelchefs zu verklausulieren, hier herrscht eine deutliche Sprache. Um zu zeigen das die Zwänge nicht nur durch die Industrie kommen, folgt mit 'Get back In Line' direkt ein gepfeffertes Lied über die damals sehr mächtigen Gewerkschaften. Jetzt braucht es nicht viel Empathie um sich in die Situation des Protagonisten hinein zu versetzen. Er wollte mit Musik Geld verdienen, muss sich dafür aber den Regeln der Mächtigen im Musikbusiness unterwerfen - der ewige Konflikt vieler Kunstschaffenden.
Das folgende 'Lola' bricht die Erzählung etwas mit der erzählten Anekdote, hat sie doch nichts mit der Musikindustrie zu tun. Es ist aber wichtig für die tiefe der Darstellung des Charakters, seinem Unwohlsein in der großen Stadt - dort ist er ja nur weil er die große Musikerkarriere machen will.
Nachdem er Kröten geschluckt hat startet endlich der Erfolg durch – er landet einen Nr. 1 Hit und wird auf der Straße erkannt – 'Top Of The Pops'. Ein Traum geht für ihn in Erfüllung, nur ist er dann garnicht mehr so begeistert von dem Traum, denn plötzlich hat man lauter Freunde die man sonst nie hätte und die ganz schnell weg sind wenns wieder abwärts geht. So langsam dämmert ihm was für ein Wahnsinn eigentlich vor sich geht – 'The Moneygoround'. Wundervoll.
Das war Seite A – der Aufstieg. Dreht man die Platte um, wird man vom Protagonisten nachdenklich empfangen. 'This Time Tomorrow' ist ein herrliches, allgemein gehaltenes Stück über ungewisse Zukunft und könnte auch gut zum zukünftigen Schaffen zum Thema 'Vergangenheit und die Zukunft' passen. Danach verliert er sich in 'A long way from home' in schon leicht depressiver Rückschau auf die glücklichen Kindertage und die scheinbar weitaus weniger glückliche Gegenwart, die mit dem folgenden Hass-auf-Menschen Lied 'Rats' wieder in sehr direkter Sprache ausgedrückt wird (wie man bereits am Liedtitel merkt). Der Wunsch auszubrechen und wieder ganz ursprünglich zu leben wird doch sehr überspitzt in 'Apeman' dargestellt. Das Lied ist wunderbar eingängig und hochaktuell. Interessant wie drängend der Gedanke bereits vor über 40 Jahren war, als man noch nicht einmal permanent von Smartphones, Web 2.0 und Spätkapitalismus belästigt wurde. Apropos Gegenwart – das anschließende 'Powerman' passt noch viel mehr ins beginnende 21. Jahrhundert, denn in die 70er Jahre. Powerman braucht keine Waffen, er hat Geld und saugt andere aus bis unter die Armutsgrenze. Man könnte meinen es ist von Investmentbänkern die Rede. Man könnte überhaupt meinen die Platte driftet thematisch immer weiter vom Ausgangspunkt – der Musikindustrie – ab. Um das nicht ganz vergessen zu machen taucht wenigstens in 'Powerman' nochmal eine Erinnerung daran auf: „He's got my money and my publishing rights / But I've got my girl and I'm alright.“
Am Ende kommt der Künstler zur Einsicht wieder frei sein zu müssen von diesen ganzen wirtschaftlichen Zwängen - „Got to be free to say what I want / Make what I want and play what I want.“ 'Got to be free' schließt somit sehr hippiesk diese schöne Album ab. Zwischenzeitlich verliert es etwas den roten Faden, aber es bleibt trotzdem ein gelungenes Werk über die Schlechtigkeit der Musikindustrie. Grade bei Stücken wie 'Apeman' und 'Powerman' ist die visionäre Kraft beeindruckend, denn die Lieder sind, wie schon erwähnt, höchstaktuell.
Obwohl das Album 'Part One' im Namen trägt, existiert kein 'Part Two'. Es war angedacht. Stattdessen widmete man sich aber lieber anderen Projekten.
„I think I'm so educated and I'm so civilized 'cos I'm a strict vegetarian
But with the over-population and inflation and starvation and the crazy politicians
I don't feel safe in this world no more, I don't want to die in a nuclear war
I want to sail away to a distant shore and make like an ape man“
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