Mittwoch, 28. August 2013
Franz Ferdinand - Right Thoughts, Right Words, Right Actions | Oder: wie man ein Album für die Ewigkeit schreibt.
Dem ist Nichts hinzuzufügen. |
Wir möchten uns hiermit in die Hobludelei so ziemlich jedes Musikjournalisten einreihen und sagen: verdammte Scheiße (pardon), ist dass ein unfassbar gutes Album. Und wir waren selten so glücklich darüber, das auch alle Welt behauptet, dass das vierte Album einer britischen Gitarrenband derart famos ist. Denn diesmal haben sie alle Recht. Sollte jemand den Titel des Albums als selbstgefällige Aussage über das eigene musikalische Schaffen der vier Herren aus Schottland einstufen: warten Sie ab, geneigter Leser.
Zudem halten wir hiermit schriftlich fest: Franz Ferdinand ist die einzige Band, der wir es erlauben, die Gitarren so hoch zu schnallen, wie es ihnen beliebt.
Es ist schon ein wenig erschreckend, festzustellen, dass das erste, selbstbetitelte Album von Franz Ferdinand vor beinahe zehn Jahren erschienen ist. Meine Güte, die Zeit! Wenn dann wiederum Right Thoughts, Right Words, Right Actions mit solch einer Wucht aus den Lautsprechern schallen kann, ohne jeglichen Reiz einer Gitarrenband verloren zu haben, dann ist das wiederum bewundernswert. Doch Franz Ferdinand haben sich nicht etwa ein Jahrzehnt auf den Nachwehen ihres wirklich großartigen Debüts ausgeruht: alle vier haben sich weiterentwickelt und das auf so stilsichere Art und Weise, dass man beinahe geneigt ist, ihre Entwicklung in einem Marmeladenglas konservieren zu wollen und all diesen Möchtegernbands vor die Nase zu setzen. Da, schau mal, was Kunst eigentlich ist.
Nie haben Franz Ferdinand sich selbst wiederholt und dann irgendwie doch. Und dabei haben sie nie halbe Sachen gemacht. Selbst als sie mir mit ihrem dritten Album Tonight: Franz Ferdinand ziemlich vor den Kopf stießen und ich wie ein schmollendes Kind in der Ecke sitzend nichts mehr von dieser Band hören wollte - an für sich war es nur eine Herausforderung, der ich wohl nicht gewachsen war (mehr dazu bald in unserer neuen Rubrik: Brett vs Kopf). Im Nachhinein war auch das wieder gut. Und nun, bei ihrem vierten Album, da wiederholen sie sich. Aber nicht einmal eben so. Sie zitieren sich selbst, insbesondere ihr Debüt. Sei es, um die Lieder nach fast einem Jahrzehnt in die Jetztzeit zu befördern oder einfach aus diebischer Freude. Warum auch immer sie es nun machen: es passt alles so gut zusammen auf Right Thoughts, Right Words, Right Actions, dass der Titel gut und gerne für das Album selbst stehen könnte. Doch sind es doch eher Dinge, die gefordert werden. Gerade jetzt macht das besonders Sinn. Denn richtige, konstruktive Gedanken, Worte oder Taten sind mittlerweile eher rar. Wen kümmert es schon, was draußen vor der Tür passiert? Die eigene heile Welt muss ja nicht zerstört werden. Deswegen ist es ja auch an für sich nicht wichtig, eine Meinung zu haben und diese zu vertreten. Denkste. Franz Ferdinand beweisen jedenfalls, dass sie sich musikalisch noch lange nicht zurückgezogen haben. Danke dafür.
Natürlich mag das übertrieben klingen, doch man könnte eine ganze Abhandlung über dieses Album schreiben. Hunderte Seiten. Immer wieder möchte man beim Hören begeisterte Ausrufe von sich geben und die Nachbarn in den Wahnsinn treiben - es gibt so vieles, dass sich erst nach und nach aber zugleich auch direkt beim ersten Hören auftut, eine Freude ist das. Zu erst einmal ist da natürlich diese Wucht, mit der das vierte Album der Schotten dich einfach so packt, schüttelt, um dich mit dem Gefühl zurückzulassen: hey, Popmusik ist nicht tot. Popmusik ist quietschfidel und kann dir immer noch viel bedeuten. Das alles in 35 Minuten und neun Sekunden. Puh. Und dann steckt dir Alex Kapranos im letzten Song Goodbye Lovers And Friends: "Don't play pop music. You know I hate pop music. Just sing amazing godless grace."
Nicht nur, dass der Titelsong, in abgekürzter Form auf Right Actions beschränkt, wie so ziemlich jeder andere in diesen 35 Minuten erst einmal für längere Zeit im Kopf bleiben wird: man ist geneigt, den fahrig gewordenen Körper möglichst rasch zu bewegen. Welch Freude es sein kann, wenn Musik intelligent und zugleich tanzbar ist. Spätestens bei Evil Eye fangen doch aber bitte wenigstens die Schulter an zu zucken. Da fahren die jungen - beinahe wäre man geneigt von nicht mehr so jungen zu sprechen, hach, das Jahrzehnt - Herren diesen diabolischen Mischmasch aus perfektem Gitarrenpop, Blues, quietschenden Saxophonen, jeglichen dahingehauchten bis kreischenden Blechblasinstrumenten und perfekt inszenierten Synthesizern (Love Illumination) auf und keiner bewegt sich? Ein Unding wäre das. Die Texte studieren wir dann bitte später. Zum Beispiel bei Stand On The Horizon. Dass die Aufzählung der Lieder gerade in chronologischer Reihenfolge passiertm kann auch nur wieder für die Genialität dieses Albums sprechen: die Smashhits machen dich sprachlos, drücken dich nach einer viertel Stunde mindestens in die hintere Ecke eines Ohrensessels. Und dann beginnst du, zuzuhören. Huch.
"How can I tell you I was wrong when I am the proudest man ever born." Die ersten Zeilen eben dieses Liedes. Dann der leicht kitschige Wunsch, am Horizont zu stehen und diesen mit der Angebeteten zu überschreiten (dieser Rhythmuswechsel nach zwei Minuten und fünfzig Sekunden - wem sich da nicht kurz der Magen vor Freude zusammenzieht, dem ist nicht zu helfen) und dann festzustellen, dass es ja doch eigentlich Quatsch, da alles kompliziert ist. "The North Sea sings won't you come to me baby." Nie wurde die Nordsee schöner in Szene gesetzt. Widersprüche werden nicht zugelassen.
Bei Fresh Strawberries sind plötzlich die Beatles wiederauferstanden und hätten sich selbst nicht besser zitieren können. Plötzlich klingen auch nasale Stimmen im Chorgesang wohltuend. Wenn dann irgendwann wirklich keine Puste mehr da ist, nachdem in Bullet flüchtig Dark Of The Matinee auftaucht und die Zeit zurückdreht, wird es ernst. Treason! Animals. Na ja, zumindest so ernst, wie es ein guter Popsong ertragen kann. "I'm the king of the animals. Im the king of the trees and animals. Self-crowned king of the trees and animals. I'm a king so give me a crown. I am an animal. Give me an animal crown." Das alles in leichtem Tonfall und von seichten Gitarren- sowie Keyboardklängen begleitet. Daraufhin wird eine zerflossene Liebe nicht beweint, sondern als wichtig gefeiert und letztendlich doch irgendwie beweint. In Brief Encounters wird leichtfüßig eine ganze Gesellschaft analysiert und als auf Äußerlichkeiten und das eigene Wohlbefinden reduzierte Gemeinschaft von Charakterlosen enttarnt. Ach ja und dann kam da noch die Sache mit der Popmusik.
Möglicherweise muss man sich sehr arg auf dieses Album gefreut haben, um die Dinge so zu sehen. Möglicherweise ist Right Thoughts, Right Words, Right Actions aber auch nur ein verdammt gutes Album, von dem wir uns noch in zehn Jahren erzählen werden. Und uns möglicherweise an die letzte Textzeile des letzten Albums von Franz Ferdinand erinnern? "Goodbye lovers and friends ... you can laugh as if we're still together but this really is the end."
Ein Schelm, wer hier jetzt denkt, Franz Ferdinand hätten eine diebische Freude daran, zu beobachten, wie diese Textzeile nun vorwärts, rückwärts, seitwärts gelesen und auf hundert verschiedene Weisen interpretiert wird.
Ein Schelm, wer hier jetzt denkt, Franz Ferdinand hätten eine diebische Freude daran, zu beobachten, wie diese Textzeile nun vorwärts, rückwärts, seitwärts gelesen und auf hundert verschiedene Weisen interpretiert wird.
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