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Mittwoch, 5. Februar 2014

Musik und Nebenwirkungen: Die Beilage

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Wenn nur noch die Downloadcodes benutzt werden, ist die Tonqualität
der Tonträger viel nebensächlicher als die Idee, oder?
They Might Be Giants haben schon im Fisher Price-Format veröffentlicht.
Die Beilage kennt man vom Essen. Sie ist das Feigenblatt für alle, die sich ein riesiges Steak reinziehen und sich dann aber doch vormachen können einer ausgewogenen Ernährung zu frönen, weil auch drei Salatblätter daneben lagen. Das Menü wird optisch aufgewertet und der Endpreis kann mit der Beilage für wenige Cent ordentlich aufgestockt werden. In der Tonträgerbranche ist es genauso. Die Standard-CD/LP wirkt womöglich etwas zu fade, sodass man ein billig fernöstlich produziertes Gimmick beilegt und die 'Deluxe'-Version mit einigen Euro Aufpreis erfolgreich unter die Konsumentenschaft bringt.

Die Idee ist beliebt wie nie zuvor, allerdings nicht gerade neu. Man denke an den tollen Sgt. Peppers Bastelbogen (und die hatten es nun wirklich nicht nötig für noch höhere Verkaufszahlen zu sorgen), oder die Zwille in der Box der Keine Macht für Niemand LP (hier mag der Grund auch weniger ein marketingtechnischer sein). Es gab schon Sprühschablonen, Spielzeuge, Comics, Flugzeugmodellbausätze und jede Menge Poster und Autogrammkarten. Oft reicht eine Beilage nicht mehr, dann muss das ganze Ding episch werden, wie z.B. bei Sound System von The Clash.

Auch ich bin anfällig für diese Verkaufstricks. Als 2012 Angelika Express ein völlig übertriebenes Riesenpaket zum Album Die feine englische Art rausbrachten, musste ich es haben. Aber was passiert damit? Man bekommt  dieses postbotenfeindlich schwere Teil geliefert, freut sich über die vielen mit viel Liebe zum Detail gestalteten Bestandteile, hört die verschiedenen Albumversionen, und dann landet es doch nur im Plattenschrank. Downloadcodes sind selbstverständlich mit dabei, d.h. für den Hörgenuss muss man die Box nie wieder bewegen und überlässt sie dem Staubmonster und zukünftigen Archäologengenerationen. Eigentlich ist das ziemlich dumm. Also nicht vom Hersteller, sondern vom Konsumenten. Auch in dem Geschäftsbereich gilt leider oft wie meistens im Leben – nicht der Besitz befriedigt, sondern der Kauf. Der Besitz wird vergessen, es sei denn man wird ausnahmsweise mal daran erinnert.

Das neue Ja, Panik!-Album Libertatia kann ich als Standard CD oder LP kaufen, oder als 'Deluxe' mit – nein, nicht mit mehr Liedern oder alternativen Versionen– sondern mit Mini-Kompass, Poster und Sticker. Tand. Vier Euro mehr soll das kosten, und ich kann mir vorstellen dass diese Version die beliebteste sein wird. Am schlimmsten ist, dass ich schon so oft darauf reingefallen bin und auch in Zukunft darauf reinfallen werde. Der Sinnlosigkeit der physischen Existenz von Tonträgern muss schließlich begegnet werden, und die einzige Möglichkeit die mir einfällt ist, sie so originell und liebevoll wie nur möglich zu verpacken. Das Signal ist schon lange angekommen, aber mir scheint es mangelt an wirklich guten Ideen. Poster, Sticker und Tand werden langfristig nicht genug sein.

Einfach nur schickere Ausgaben; bunt, schwer, in einer großen Holzbox, Filmdose oder mit Yacht dabei werden auch weiterhin Absatz finden, aber ich vermute dieser wird sinken, denn ein lediglich repräsentativeres Aussehen kann die deutlich höheren Preise in einer zunehmend tonträgermüden Gesellschaft nicht rechtfertigen.

Ich möchte sehen wie sich Künstler kreativ mit dem Format Album beschäftigen. Der Deal ist Geld gegen eine kreative Leistung. Poster, Sticker und Tand in die Verpackung legen ist eine äußerst mäßig kreative Leistung. Demos, Outtakes, Schrulliges auf einem Extra-Tonträger ist schon weitaus interessanter, allerdings als 'Abfall' auch nicht wirklich einen hohen Aufpreis wert. Ich rate zur individuellen Beschäftigung mit dem Konsumenten. Neben einem für den Hersteller günstigen Mehrwert wie Demoaufnahmen oder Poster, können die Künstler selbst etwas beitragen, dass zeigt das sie dem Kaufenden nicht nur etwas verkaufen, sondern etwas geben wollen. Eine individuelle künstlerische Leistung würde das 'Produkt' aufwerten, und zwar nicht mit größeren finanziellen Investitionen in Zeug, sondern mit der Kreativität der Künstler. Denkt da mal drüber nach, liebe Tonträgerproduktschaffende.

Ein paar nette Beispiele finden sich z.B. in diesem Blog.



Das spricht die Haben-Wollen-Gefühle vieler Menschen sehr geschickt an und bietet eine ausschöpfende Resteverwertung, aber - und das tut mir weh sowas sagen zu müssen - der ganze Verpackungsaufwand macht das Album auch nicht gut. Tschuldigung Judith. Der Spaß soll dann stolze 50€ kosten, aber nicht im Plattenladen, sondern nur exklusiv bei Amazon. Pfui.


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