Mittwoch, 22. Oktober 2014
Musik und Nebenwirkungen: You are quite cool have you said to me, and I asked myself how could this be?
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Gillian Flynn - Gone Girl |
Ja, der Bestseller 'Gone Girl' ging auch durch meine Hände, und die angeblich in Wirklichkeit sehr unemanzipierte Rolle des 'Cool Girl' ist seitdem ein feststehender Begriff. Im Zuge des Kinostarts der Verfilmung ist es angebracht den Kern des Werkes auch mal in Musik & Nebenwirkungen zu besprechen. Die darin postulierte These, scheinbar emanzipiertes Verhalten auf weiblicher Seite diene in Wirklichkeit lediglich dazu geschmacklich von Rollenklischees abgestoßene Männerherzen der Gegenwart zu erobern, ist steil.
They’re not even pretending to be the woman they want to be, they’re pretending to be the woman a man wants them to be. Oh, and if you’re not a Cool Girl, I beg you not to believe that your man doesn’t want the Cool Girl. It may be a slightly different version – maybe he’s a vegetarian, so Cool Girl loves seitan and is great with dogs; or maybe he’s a hipster artist, so Cool Girl is a tattooed, bespectacled nerd who loves comics. There are variations to the window dressing, but believe me, he wants Cool Girl, who is basically the girl who likes every fucking thing he likes and doesn’t ever complain. (How do you know you’re not Cool Girl? Because he says things like: “I like strong women.” If he says that to you, he will at some point fuck someone else. Because “I like strong women” is code for “I hate strong women.”)” - Gillian Flynn, Gone Girl
Und perfide, schließlich stößt das Um-die-Ecke-Denken an dieser Stelle an seine Grenzen. Sollte dann der aufgeklärte Mann jenem Typus des 'Cool Girl' aus dem Weg gehen? Kann er das? Will er das? Amy, die leicht schrullige Protagonistin, verurteilt Männer die auf kumpelhafte, lässige Frauen reinfallen. Nicht nur das, sie vertauscht in ihrer eigenen Logik die Rollen von Opfer und Täterin, sozusagen. Naja, Amy dient hoffentlich aufgrund der einen oder anderen Charaktereigenschaft nicht als Role-Model für leicht beeinflussbare Menschen. Hoffentlich.
Genug zum Thema Literatur, wir sind hier schließlich bei einem preisverdächtigen Musikblog. Deshalb liegt es auf der Hand zu fragen, ob dieses gewollte Image im Musikbusiness anzutreffen ist. Ja, natürlich ist das eine rhetorische Frage. Jedes Genre hat seine Codes, und egal welches Geschlecht, sie alle wollen/müssen natürlich den Codes entsprechen. Viel spannender ist aber die Frage, wie gerade in betont 'aufgeklärten' Genres in der großen Indiewolke Erwartungen und Wirklichkeit Hand in Hand gehen. Wir hier bei der Tante P. verehren zu Hauf weibliche Musikschaffende. Das Label 'Cool Girl' könnte man wohl einem Großteil davon auf die Stirn kleben. Manche agieren äußerst erfolgreich, beispielsweise Amanda Palmer und Garfunkel & Oates, andere weniger. Bei großartigen Bands wie Die Braut haut ins Auge und natürlich den fantastischen Lassie Singers war damals das, was wir heutzutage als 'cool' interpretieren würden und nicht wüssten ob es wirklich authentisch ist, eine ziemlich große Karrierebremse. Ein bisschen mehr Lucilectric und Blümchen hätte es gebracht, aber offensichtlich war diese Verbiegung es nicht wert.
Die Frage der Authentizität lässt sich freilich schwer beantworten. Was ist schon authentisch? Ist es Avril Lavigne? Kimya Dawson? Nina Hagen? Es ist klar, auf der Suche nach Authentizität hilft eine Betrachtung des Geschlechts nicht weiter. Von wem war nochmal die Kunstdefinition: Man braucht jemanden der behauptet es sei Kunst, und jemanden der es glaubt. Dann ist es Kunst? Mit Authentizität funktioniert das natürlich genauso.
Um auf das Ausgangsthema zurück zu kommen – es ist augenscheinlich ausgemachter Blödsinn ein 'Cool Girl' zu postulieren, und den 'Cool Boy' dann unter den Tisch fallen zu lassen. Den gab es nämlich auch schon immer. In der Musik ist es jedenfalls einfacher als in zwischenmenschlichen Beziehungen. Wir verhandeln nicht auf Augenhöhe, sondern Amanda Palmer projiziert ein authentisches oder nur scheinbar authentisches Bild, und ich glaube es ihr. Selbst wenn es nicht stimmen mag im tiefsten Inneren, ist es ein Verbrechen ohne Opfer.
Für viele ist das Abziehbild eines 'Stars' die Realität, entweder aus jugendlicher oder aus intellektueller Unbedarftheit. Hier sind jene Kunstschaffende in der Pflicht entweder kein richtiges Leben im falschen vorzuführen, oder sich nicht abrupt davon zu trennen, um emotionalen und körperlichen Schaden von den Fans abzuhalten. Für alle anderen gilt wie immer, seit Heino 'Kapitulation' von Tocotronic gecovert hat, sind die Grenzen von Klischee, Ironie und Protest zu verschwommen als dass man vertrauensvoll so ganz ganz eng sein Herz an Musikanten und ihr Image hängen kann. Zumindest geht es mir zunehmend so. Herzen brechen können von denen bei mir nur noch wenige. Und die sollten es bitteschön sein lassen.
Zwischenmenschlich beschreibt das besagte Buch einen Schlamassel, der durch zuviel Oberflächlichkeit und Imponiergehabe ausgelöst wurde. Authentizität von Anfang an, liebe Amy. Dann klappt das auch mit dem richtigen Ehemann. Zu erwarten, der schlichte Typ würde Spielchen durchschauen geht wirklich an jedweder Menschenkenntnis vorbei und wurde völlig zu Recht durch ein paar Eheleidensjahre bestraft. Also wenn mich Amanda Palmer verlässt, kommt eben eine andere. Was wohl Avril Lavigne so treibt heutzutage...
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