Montag, 28. September 2015
Musik und Nebenwirkungen: Wer bei der Karma Police arbeitet, wird höchstens als Schmeißfliege wiedergeboren
Es verwandeln sich Dystopien in eine obskure Realität, welche wohl selbst George Orwell als hanebüchene Fantasterei bezeichnet hätte. Sein Zynismus ist schon lange übertroffen, schließlich nennt die Menschheit ihr Überwachungs-TV bereits seit 15 Jahren 'Big Brother'. Auch früher, aber spätestens seit den Snowden-Enthüllungen schwingt bei jeder Meldung in jene Richtung der Gedanke mit, ok, das hätte ich nie gewagt auch nur zu denken, aber schlimmer kann es ja wohl nicht werden. Und dann wird es von Mal zu Mal schlimmer.
September 2015 – Die alles überwachende Spionageabteilung des britischen GCHQ hat eine Software, welche im Grunde sämtliche Vorgänge im Internet speichert (speichern soll), inklusive Anlegung und Auswertung persönlicher Surf-Profile. Ziel: 100000000000 Events speichern und auswerten…pro Tag! Das alles ist nicht mehr in Worte zu fassen, doch warum echauffiert sich ein Musikblog? Richtig, der Name. Wie muss man sich das vorstellen? Begabte, aber durch und durch schlechte Menschen sitzen in einer Runde und umreißen ihre Pläne für die Komplettüberwachung, dann geht eine Hand hoch zur Wortmeldung: „Übrigens, ich hätte da voll den passenden Namen für unser kleines Projekt – Karma Police! Ihr wisst schon, wie das Radiohead-Lied. Passt doch, oder?“
Donnerstag, 24. September 2015
Funkelnagelneu: "Nein, Nein, Nein!" von Bernadette La Hengst
Am 2. Oktober 2015 erscheint ein neues Bernadette La Hengst-Soloalbum mit dem bezeichnenden Titel Save The World With This Melody. Als Weltenretterin im Hauptberuf ist sie mittlerweile musikalisch verbeamtet und nahezu unkündbar, und insbesondere im Einsatz für ein BGE (Bedingungsloses Grundeinkommen) möchten wir uns an ihre Seite gesellen und mit Liebe, Zorn und den richtigen Songs bewaffnet für das Gute kämpfen.
Ein kleiner Anfang sei mit der Preisung ihres neuen Liedes 'Nein, Nein, Nein' gemacht. Diese Kreuzung aus 'Sag alles ab' von Tocotronic und 'Nein!' von Locas In Love bietet etwas, was die genannten Bands (bei aller Liebe, und die ist groß) nicht vermocht haben - es ist tanzbar, direkt (in the face!), und höchst animierend. Es steigt sofort das Bedürfnis empor, diverse Mails im Postfach mit einem Link zum Lied zu beantworten. Danke, Bernadette! Wir brauchen dich. Und solltest du uns brauchen für die gute Sache - wir sind dabei!
Video des Tages: "Dick Around" von Sparks
Nicht nur waren die Sparks ulkigerweise die Urheber einer der ersten Maxi-CD-Singles, welche sich der Autor dieses kleinen Textes von seinem eigenen Geld gekauft hat - denn er weiß beim besten Willen nicht mehr was ihn zu dieser eher abwägigen Kaufentscheidung für einen Neunjährigen bewog. Nein, 21 Jahre später erschienen sie ihm endlich live und in Farbe (oder fast in Farbe), und es erging sich der Gedanke: ACHJA, SPARKS!
Nach eingehender Neubeschäftigung sei nun hier das mitunter beste Videomachwerk ihrer etwas neueren Geschichte gezeigt. Ich bitte euch, Katzencontent und, naja, der Text, und das Video hat innerhalb von zwei Jahren nur 40000 Klicks?! Was stimmt nicht mit den Menschen?! Höchste Zeit diesen Umstand zu ändern. Danke.
Mittwoch, 23. September 2015
Hazmat Modine – Extra-Deluxe-Supreme
Als Fans von Rachelle Garniez mussten wir fast zwangsläufig auf die Fabelhaftigkeit von Hazmat Modine hingewiesen werden. In diesem Oktett wirkt sie allerdings vornehmlich am Akkordeon und gesanglich begleitend. Die Rolle des Orchesterleiters hat Wade Schuman inne, ein Mann mit sowohl kompositorisch als auch stimmlich dezenten Ähnlichkeiten zum großen Tom Waits (auch wenn zu deutlicheren Übereinstimmungen noch jede Menge ungefilterte Zigaretten und Whisky von Nöten wären). Es ist nur ein vager Vergleich, aber sicherlich ist wohl niemand deswegen beleidigt.
Ihr 2015er Album erhielt den bescheidenen Namen Extra-Deluxe-Supreme, was eine Extra-Deluxe-Supreme-Tonträgerausgabe naheliegend erscheinen lassen würde. Vielleicht wird das eines Tages folgen, wer weiß. Allgemein sei angemerkt, dass als Grundvoraussetzung für den Genuss des Albums eine prinzipiell Mundharmonika-freundliche Einstellung vorherrschen sollte. Ist das der Fall, werden über 50 Minuten feinste Arrangements geboten, stets getragen durch reichlich Blechbläser und dem Gehörgang schmeichelnde Gesangsharmonien. Musikalisch quietscht und trötet sich das Ensemble ziemlich breit gefächert durchs Blumenbeet diverser Blues/Pop/Reggae-Varianten, und als i-Tüpfelchen wird es in zwei Liedern ergänzt um ALASH, einem tuwinischen (ja, es ist nicht blamabel wenn das jetzt gegoogelt wird) Fidel-Flöte-Banjo-Kehlkopfgesangstrio.
Sonntag, 20. September 2015
Musik und Nebenwirkungen: Liebes 16jähriges Ich, lieber junger Musikentdecker,
Anmerkung: Der Text ist inspiriert von dem äußerst lesenswerten Projekt Dear Sixteen-Year-Old Me von Letters Of Note. Allerdings haben wir die Fragestellung leicht abgewandelt: es soll ausschließlich um das Verhältnis zur Musik gehen.
Liebes 16jähriges Ich, lieber junger Musikentdecker,
ich würde Dir gerne ab und an erstaunliche Dinge erzählen, die Du mir niemals glauben würdest. Die erstaunlichsten davon begaben und begeben sich zugegebenermaßen im semi- bis nichtmusikalischen Bereich, aber jene müssen hier nicht in aller Öffentlichkeit ausgebreitet werden. Die Stories schicke ich Dir bei Gelegenheit in einer PM (also bei ICQ, wenn ich die Zugangsdaten noch wüsste).
Natürlich wäre es aus der Perspektive des Jahres 2015 einfach über die seltsamen Auswüchse pubertärer Irrungen und Wirrungen Deiner Musikentdeckungen herzuziehen, aber weil das vermutlich auch für die Perspektive auf das Jahr 2015 aus dem Jahr 2030 gelten dürfte, möchte ich nicht hochnäsig über zweifelhafte Hörgewohnheiten lästern. Vielmehr möchte ich Dir danken, denn die frühnerdige Auseinandersetzung mit der bunten Subkultur Punk hat Dich sehr positiv beeinflusst. Du lernst beispielsweise was Straight Edge heißt, aber diese Art strenger Regeln in fest abgegrenzten Gruppen kommt Dir damals schon fragwürdig vor. Trotzdem ist es äußerst sinnvoll gewesen, sich schon mit 16 diesen Fragen nach dem Umgang mit Mensch und Tier zu stellen, denn es dauert lange sie einigermaßen gut durchdacht zu beantworten. Aber ich schweife ab, es ging schließlich um die Entdeckung von Musik. Ich weiß, Dir mangelt es an vernünftigen sozialen Einflüssen auf den eigenen Musikgeschmack. Oft sind es die großen Geschwister, die ihre Erkenntnisse weiterreichen. Das ist genauso wenig eine Option wie ein cooler Plattenladen, oder überhaupt ein Plattenladen in Deinem Heimatkaff. Das Internet fiept und beept noch in Slow-Motion vor sich hin, und die Gleichaltrigen hören wirklich unerträgliches Zeug. Deswegen, und es fällt mir schwer diesen Satz zu schreiben, müsstest Du eigentlich dem Fernsehen danken. Genauer gesagt sind es MTV, VIVA, und noch viel mehr VIVA zwei, die Dir auf die Sprünge helfen. Insbesondere bei letztgenanntem Sender siehst Du etliche wirklich gute Videos von tollen Bands, welche Du teilweise sogar noch 15 Jahre später sehr gut finden kannst (ich muss Dir allerdings leider mitteilen, dass Charlotte Roche im nächsten Jahrzehnt nicht mehr ganz so cool und Role-Model-tauglich ist wie im Jahr 2000).
Samstag, 19. September 2015
Funkelnagelneu: "Dein Dorf" von Rocko Schamoni & L'Orchestre Mirage
Rocko Schamoni & L'Orchestre Mirage - Dein Dorf (VÖ 11.09.2015 | Staatsakt) |
Wir waren doch recht begeistert vom 2015er Rocko Schamoni-Machwerk Die Vergessenen, und auch als Konzerterlebnis vermochte das Orchester musikalisch sehr zu überzeugen. Nun legt Rocko noch ein kleines Bonbon nach, nämlich eine 7" mit einem aus Rockos eigener Feder stammendem Überbleibsel aus den Sessions, sowie der launigen B-Seite 'Rom' in der First-Take-Version.
'Dein Dorf' erweckt textlich freilich die Assoziation mit Erlebnissen beispielsweise im Prenzlauer Berg, als ein Konzert nicht um 22 Uhr, sondern erst um 22.05 Uhr zu Ende war und bereits die Polizei vor der Tür stand. Aber vielleicht sehen wir momentan nur die schlechten Seiten, auch am Dorf in der Stadt ist nicht alles schlecht. Vieles, aber nicht alles.
'Dein Dorf' ist erhältlich als 7", sowie in digitaler Form bei den bekannten seelenlosen Bithändler*innen.
Angehört werden kann das Lied _exklusiv_ bei der Speckes (ach, diese Vetternwirtschaft im Musikblogbusiness).
Dienstag, 1. September 2015
Video des Tages: "Abdul & Cleopatra" von Jonathan Richman
Als Hort der Jonathan Richman-Anbetung ist es nicht verwundlich ihm an dieser Stelle zum Xten Male in Form von alten Videoschinken angesichtig zu werden. Wir fröhnen ohne Hemmungen unserer Verehrung, und folgender vergilbter Fernsehauftritt ist wahrlich ein Highlight in jedwedem Sinne. Schauen wir fassungslos auf die Bühnendekoration, lauschen wir dem gekonnten Gitarrensolo, und schmachten wir Jonathans grandiosen Singsang an. Wer Herrn Richman verehrt, kann kein unverständiger Mensch sein. Das ist sicher.
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